Arbeit 4.0: Wie Deutschland die Zukunft der Arbeit gestaltet

Wie wir die Zukunft der Arbeit gestalten

Im November 2016 hat das deutsche Bundesministerium für Arbeit und Soziales unter der Leitung der Sozialdemokratin Andrea Nahles das Weißbuch „Arbeit 4.0“ veröffentlicht. Es ist das Ergebnis eines 18-monatigen Dialogprozesses, in dem die Herausforderungen für die Arbeitswelt skizziert und politische Vorschläge in die politische Debatte eingebracht wurden. An dem Dialog war ein breites Spektrum von Interessengruppen beteiligt, darunter Hochschulen, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, aber auch die breite Öffentlichkeit. Durch die Prägung des Begriffs „Arbeit 4.0“ wurde die Debatte bewusst mit der bereits florierenden Industrie 4.0-Diskussion verknüpft, nicht als Gegenstück, sondern eher als Ergänzung.

Arbeit 4.0 spiegelt einen wachsenden Konsens unter den deutschen Politikern wider, dass die Veränderungen in der Arbeitswelt unweigerlich Auswirkungen auf den Sozialstaat und die sozialen Sicherungssysteme haben werden. Während Arbeitnehmer/innen im verarbeitenden Gewerbe bereits seit mehr als zehn Jahren von der Digitalisierung betroffen sind, wird vielen Angestellten, z. B. im Gesundheitswesen oder in der Rechtsberatung, erst jetzt bewusst, dass sich ihr derzeitiges Berufsbild in den kommenden Jahren grundlegend verändern könnte. Für eine ganze Generation junger Menschen bedeutet das Arbeitsleben – manchmal bewusst, manchmal aus der Not heraus – projektbasierte Beschäftigung, Telearbeit und zunehmend verschwimmende Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit.

Sicherheit vs. Flexibilität

Das Ergebnis ist eine fast 300 Seiten starke, umfassende Bewertung der Zukunft der Arbeit. Sie skizziert eine Vision für „gute Arbeitsplätze in einer Ära des digitalen Wandels“, die auf den Grundlagen des deutschen Sozial- und Wirtschaftsmodells wie Mitbestimmung und Teilhabe aufbaut. Während menschenwürdige Arbeit und Einkommen weiterhin von grundlegender Bedeutung sind, muss dauerhaft ein neues Gleichgewicht zwischen Sicherheit und Flexibilität gefunden werden. Soziale Sicherheit und die Integration aller Bürgerinnen und Bürger in den Beruf werden weiterhin ein zentrales Ziel sein. Die zunehmend pluralistischen Lebens- und Arbeitsformen erfordern jedoch ein stärkeres Element der Selbstbestimmung und Flexibilität, z. B. bei der Entscheidung, wo und wann die Menschen arbeiten wollen.

Lebenslanges Lernen

Die vorherrschende Annahme ist, dass die beobachteten Veränderungen nicht zu einem massenhaften Verlust von Arbeitsplätzen, sondern zu einem massiven Wandel der Berufe und Berufsprofile führen werden. Das macht die Kompetenzentwicklung und das lebenslange Lernen noch wichtiger, als sie es ohnehin schon sind.

Tatsächlich wird eine lebenslange Perspektive viel häufiger angewandt werden müssen – was das Weißbuch in seinen beiden zentralen Bereichen für politische Vorschläge anerkennt.

Beschäftigungsversicherung

Warum sollten die Sozialversicherungssysteme erst dann greifen, wenn sich die Menschen dem Ende ihres Arbeitslebens nähern oder Gefahr laufen, ihren Arbeitsplatz zu verlieren? Das Whitepaper wendet sich stattdessen der Idee einer präventiven Sozialpolitik zu und schlägt vor, die derzeit bestehende Arbeitslosenversicherung schrittweise zu einer Beschäftigungsversicherung auszubauen, mit einem individuellen Recht auf unabhängige Berufsberatung und Weiterbildung. Damit soll auch die Agentur für Arbeit in eine proaktivere Qualifizierungsagentur umgewandelt werden.

Arbeitszeit und Flexibilität

Themen, die in den kommenden Jahren wahrscheinlich noch mehr an Bedeutung gewinnen werden, betreffen die Arbeitszeit und die Flexibilität. Während viele Arbeitnehmer/innen immer noch feste Arbeitszeiten bevorzugen und am Wochenende nicht ihre E-Mails checken wollen, schätzen immer mehr Menschen die Flexibilität, die moderne Kommunikationsformen bieten, und würden lieber früh das Büro verlassen, um Zeit mit ihren Kindern zu verbringen und später am Abend noch E-Mails zu checken. Selbstbestimmung ist der Schlüssel für beide Gruppen, und die Politik wird ein Gleichgewicht zwischen den Bedürfnissen der Unternehmen und der Arbeitnehmer/innen, den Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften und dem Schutz der gemeinsamen Freizeitfenster für eine lebendige Gemeinschaft finden müssen.

Im Dialogprozess des Weißbuchs hat sich ein breiter Konsens darüber herauskristallisiert, dass die Arbeitszeit so organisiert werden muss, dass auch der spezifische Zeitbedarf im Lebensverlauf besser berücksichtigt wird. Ein vorgeschlagenes Arbeitszeitwahlgesetz würde mehr Optionen für Arbeitnehmer/innen in Bezug auf Arbeitszeit und -ort mit einer bedingten Möglichkeit kombinieren, auf der Grundlage einer Vereinbarung zwischen den Sozialpartnern und auf betrieblicher Ebene von bestimmten Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes abzuweichen. Bereits auf den Weg gebracht wurde das Gesetz über Teilzeitbeschäftigung und befristete Arbeitsverhältnisse, das Arbeitnehmern das Recht garantieren soll, nach einer Teilzeitbeschäftigung in die Vollzeit zurückzukehren.

Persönliche Beschäftigungskonten

Zu den Vorschlägen gehört auch die Einrichtung langfristiger persönlicher Konten, die jeder Einzelne zu Beginn seines Arbeitslebens einrichtet, mit einem Grund-„Kapital“ ausstattet und dann durch Beschäftigung oder individuelle Beiträge Guthaben erwirbt. Diese Guthaben könnten dann für Weiterbildung, Qualifizierung oder Unterbrechungen der Karriere verwendet werden.

Weitere Überlegungen beziehen sich auf Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften, die Stärkung der strukturellen Bedingungen für Verhandlungen zwischen den Sozialpartnern im digitalen Zeitalter und die Bedingungen für Selbstständige. Um Lücken in der sozialen Absicherung zu vermeiden, wird vorgeschlagen, dass sie wie Arbeitnehmer/innen in die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen werden sollten.

Die vielfältigen Beiträge und Kommentare der verschiedenen Interessengruppen im Rahmen des Prozesses Arbeit 4.0 kreisen um eine Grundüberzeugung: Digitalisierung bedeutet keinen technologischen Determinismus – die Zukunft der Arbeit ist etwas, das wir aktiv gestalten können und müssen.

Obwohl das Weißbuch das Ergebnis eines ministeriellen Prozesses ist, trägt es dennoch eine deutliche sozialdemokratische Handschrift. Die Diskussion über die Zukunft der Arbeit bietet den politischen Parteien der Linken (den traditionellen Arbeiterparteien) in ganz Europa die Möglichkeit und die Notwendigkeit, ein Konzept für die Gesellschaften der Zukunft zu entwickeln.

Wir von Beeze wünschen viel Spaß beim Arbeiten 4.0

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